Bescheißen wie Gott in Florida
Krystal Stubbs (Kirsten Dunst) verliert ihren Mann und ihr Geld an das sektenhafte Pyramidensystem FAM (Founders American Merchandise). Durch den Verkauf von Haushaltswaren sollen Mitglieder der Organisation auf Kosten ihrer Rekruten reich werden. Trotz der schlechten Erfahrung ihres Gatten macht Krystal mit: Sie braucht Geld und will das System von innen heraus bekämpfen. Wegen der hohen Einstiegskosten – darin liegt ja der Trick – muss sie mit ihrem Kind in die Abstellkammer des Spaßbads ziehen, in dem sie arbeitet. Ein Trauerspiel. Lustig wird’s mit Folge 3, ab der sich die Protagonistin immer unmoralischer verhält.Anstatt, wie vorgesehen, das System zu bekämpfen, spielt sie skrupellos mit. Sie beginnt die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen auszunutzen und steigt damit innerhalb der Organisation auf. Die Lebenskrise ihres depressiven Kollegen und Freundes Ernie nutzt sie, um ihn für FAM zu gewinnen, und auch die masochistische Neigung ihres Vorgesetzten Cody weiß sie für ihre Karriere zu verwenden, misshandelt und verführt ihn, kommandiert ihn herum, sperrt ihn ein und macht ihn emotional abhängig, denn: „What’s good for the goose is good for the gander.“ Wie in einem Schelmenroman durchläuft Krystal verschiedene gesellschaftliche Schichten und wird zu deren Spiegel. Ihr Verhalten ist dabei immer durch die Erfahrung finanzieller Not geprägt: „I won’t be poor again. I won’t“, schwört sie sich und erklärt später pathetisch „I’m a businessman.“Krystal lügt und betrügt so gut sie kann. Jeder Rückschlag macht sie waghalsiger, mit jeder Folge reizt sie das Mitgefühl des Publikums weiter aus. Komik entsteht, wenn Krystal sich mit den ranghöchsten Mitgliedern des Pyramidensystems anlegt und dabei nur knapp mit dem Leben (und zweihundert Flaschen Glasreiniger) davonkommt. Die zehnteiligen Serie On becoming God in Central Florida lief zuerst beim US-amerikanischen Privatsender Showtime, in Deutschland ist sie bei Joyn zu sehen. Eine ursprünglich geplante Fortsetzung gibt es nun leider doch nicht. Dabei hatte sich Hauptdarstellerin Kirsten Dunst schon darauf gefreut, dass ihre Figur noch gieriger und verrückter würde. Schade – denn ich zumindest hätte dabei sehr gerne zugeschaut.Humorkritik, Titanic Heft 509 / 43. Jahrgang März 2022, S. 55-56